Das Fragezeichen steht da nicht zufällig. Und eigentlich durfte es noch nicht einmal da stehen, denn die Aussage ist falsch.
Es ist aber das, was uns seit Jahren, nein seit Jahrzehnten erzählt wird. Wenn man alles nur in Maßen isst, wenn man es mit nichts übertreibt, dann bleibt oder wird man schlank. Dann kann man alles essen, ohne sich für irgendetwas schuldig zu fühlen.
Das heißt, wenn man Zucker in Maßen isst (was für ein Maß wäre das überhaupt?), ist das gesund? Man sollte es nur nicht übertreiben?
Na ja. Früher war es so, sagen viele. Schließlich waren so ziemlich alle Leute bis ca. 1980 schlank. Und damals gab es keine Diäten, kein Low Carb oder Low Fat, alle haben alles gegessen, was ihnen schmeckte. Mischkost.
Auf Englisch heißt das Meat and Potatoes, also Fleisch und Kartoffeln, auf Deutsch nennen wir das Hausmannskost. (Wobei ich mich immer schon gefragt habe, warum es Hausmannskost heißt. Müsste es nicht eigentlich Hausfrauenkost heißen? Denn vor allen Dingen früher haben das ausschließlich Frauen gekocht. Die Hausfrauen. Heute wahrscheinlich auch noch oft. Die Hausmänner sind immer noch selten.) Das bedeutet meistens tatsächlich das, was der englische Begriff besagt, jeden Tag Kartoffeln und dazu irgendwas mit Fleisch, mal Rind, mal Schwein, mal Hühnchen und was es da noch alles gibt.
So bin ich aufgewachsen. Das war vor der Übergewichtsepidemie für die meisten das normale Essen. Es gab jeden Tag Kartoffeln, Nudeln vielleicht mal ausnahmsweise ein paarmal im Jahr in einem Nudelauflauf mit Käse und Schinken und einer Eiermasse, um es zusammenzuhalten, Reis gab es damals in Deutschland nie, denn es gab niemanden, der asiatisch aß, das war völlig unbekannt.
Ich meine, wir wussten alle, dass die Asiaten Reis essen. Daher kommt ja auch der Spruch Das ist so wichtig (sprich unwichtig), wie wenn in China ein Sack Reis umfällt, aber selbst haben wir den nie gegessen. Einige wenige, die immer anders sein mussten als die anderen, aber in Deutschland isst man Kartoffeln. Das ist einfach so. 😄
Die Italiener essen Nudeln, weshalb sie oft als Spaghettis beschimpft wurden oder als Makkaronis, denn Deutsche aßen so etwas nicht. Oft hing da noch ein Wörtchen dran, das noch beleidigender war, aber das schreibe ich jetzt nicht hier hin. Ich denke, jeder kann sich das vorstellen.
Es wurde also sogar als eine Art Makel betrachtet, wenn man Nudeln oder Reis aß, als etwas Ausländisches, etwas Fremdes, das man nicht haben wollte. Jeder anständige Mensch hatte gefälligst Kartoffeln zu essen.
Ja, so waren damals die Zeiten. 😎 Es gab kaum Ausländer in Deutschland, und wenn, dann wurden sie nicht als gleichwertig betrachtet. Zu Anfang hießen sie Fremdarbeiter, was dann später in Gastarbeiter umbenannt wurde, aber die Konnotationen waren dieselben: Die gehören nicht zu uns, die sind fremd, die sind hier nur zu Gast. Die gehen wieder. Wir wollen nicht sein wie die und wir wollen schon mal gar nicht essen wie die.
Wenn die Politiker damals gewusst hätten, wie anders es heute ist . . . Sie hätten sich das gar nicht vorstellen können. Damals war alles noch sehr nationalistisch. Jede Nation für sich. So wenig wie möglich Gemeinsamkeiten. Das können wir uns heute wiederum gar nicht mehr vorstellen. Vor allem für jüngere Leute ist das bestimmt sehr fremd. In den letzten 50 Jahren hat sich wirklich sehr viel getan.
Leider auch an der Essensfront. Denn damals waren alle Leute, Inländer wie Ausländer, schlank. Heute nicht mehr. Das Verhältnis hat sich schon fast umgekehrt. In Amerika hat es das schon. Und mittlerweile leider auch im größten Teil Europas und der restlichen Welt. Selbst bei den Asiaten, die nun leider nicht mehr so viel Reis essen, sondern das Junk-Food aus Amerika, das schon dort alle Leute dick gemacht hat.
Warum aber waren vor 50 Jahren noch alle Leute schlank? Was uns heute ja auch mittlerweile ziemlich fremd ist. Waren die Leute damals alle perfekt in Ernährung, wussten genau, was sie essen mussten und was sie weglassen mussten? Also damals schon alle Ernährungsexperten? Und das Wissen ist dann in den letzten Jahrzehnten verlorengegangen?
Mitnichten. Damals hat sich kein Mensch um Ernährung geschert. Die Leute damals hätten es sehr komisch gefunden, wenn man sie darauf angesprochen hätte. Das war einfach kein Thema. Man aß dreimal am Tag seine Mahlzeiten, Kartoffeln und Fleisch, recht wenig Gemüse meistens bis zu gar keins, und zum Nachtisch aß man einen Apfel. Dazu gab es auch noch meistens Butterbrot zum Frühstück und zum Abendbrot, mit Käse und Wurst.
Jede/r Ernährungsexperte/in heute würde bei einer solchen Ernährung aufschreien. Viel zu viele Kohlenhydrate! Oder wahlweise: Viel zu viel Fett! Je nach Ausrichtung der Ernährungsrichtung, die er oder sie vertritt. Oder auch: Viel zu viele Tierprodukte! Wobei es auch da mittlerweile ein wahlweise gibt, nämlich: Viel zu viele Pflanzenprodukte!
Heute gibt es keine Gemeinsamkeiten mehr beim Essen, wie das damals der Fall war, heute kocht jeder sein eigenes Süppchen. Und alles andere wird als fatal hingestellt, ja manchmal sogar als giftig. Die Fleischesser sagen, Pflanzen sind schädlich, die Pflanzenesser sagen, Fleisch ist schädlich. So kommt man zu nichts. Außer im allerbesten Fall zu der Übereinkunft, dass man in nichts übereinstimmt.
Dennoch gibt es manchmal tatsächlich eine Übereinstimmung, die man heutzutage gar nicht mehr erwartet, nämlich darin, dass damals alle Leute weniger gegessen haben als heute. Weniger Kalorien zu sich genommen haben, eben »alles in Maßen«. Und sie haben sich mehr bewegt, denn damals gab es noch nicht so viele Autos, alle gingen zu Fuß oder fuhren mit dem Fahrrad. Das verbrauchte Kalorien.
Eine absolute Fehlinterpretation, wie sich mittlerweile durch Studien herausgestellt hat. In der Tat essen wir heute weniger und bewegen uns mehr. Im Durchschnitt. Ausnahmen bestätigen die Regel.
Daran kann es also nicht gelegen haben, dass die Leute damals schlank waren und heute dick sind. Also lag es doch daran, dass sich alle beim Essen zurückgehalten haben? Dass sie immer »aufgehört haben, wenn es am besten schmeckt«, wie ein berühmter Ausspruch von Konrad Adenauer es auf den Punkt brachte? Der in der Tat bis zu seinem Tod in hohem Alter ziemlich schlank war, weil er dieses Prinzip befolgte.
Dennoch wäre er wohl nicht so schlank geblieben, wenn er alle zwei Stunden gegessen hätte, wie es heute oft üblich ist. Immer wieder einen Snack zwischendurch. Das gab es damals nicht. Und deshalb war er schlank. Weil er große Essenspausen zwischen seinen Mahlzeiten hatte wie wir alle. Frühstück um 7, Mittag um 12 – dazwischen liegen schon einmal 5 Stunden, in denen nicht gegessen wurde. Dann gab es als nächstes das Abendessen um 6 oder spätestens 7 Uhr abends, was 6 oder sogar 7 Stunden Pause vor dem Abendessen bedeutete. Wunderbare Ruhepausen für den Körper. Und ab 6 oder 7 Uhr abends gab es dann die abendliche und die Nachtruhe, natürlich ohne Essen, ca. 12-13 Stunden lang.
Deshalb waren alle schlank. Nicht deshalb, weil sie alles nur in Maßen gegessen haben. Aber wenn man so lange Essenspausen hat, kann der Körper das Insulin, das er nach dem Essen ausgeschüttet hat, wieder herunterfahren, fängt dadurch dann in der Nacht auch an, Fett abzubauen, weil er schon 4 oder 5 Stunden vor dem Schlafengehen nichts mehr zu essen bekommen hat, und setzt das während der Phase, in der wir schlafen, fort.
So kann man wirklich alles essen und wird nicht dick. Auch wenn man sich bei jeder Mahlzeit richtig sattgegessen hat. Wenn man auch abends noch zwei Scheiben Brot mit Käse oder Wurst gegessen hat. Wie es damals üblich war.
Denn das wurde in der mindestens 12 Stunden langen Fastenphase am Abend und in der Nacht alles wieder abgebaut, für unsere Versorgung während der Zeit ohne Essen verbraucht, damit wir nachts nicht verhungern. Nicht als Fett in unseren Körper eingebaut, weil wir bis kurz vor Schlafenszeit noch snacken oder Alkohol trinken. Der ja auch nur reiner Zucker ist.
Das ist das ganze Geheimnis. Keine Diätphilosophie, kein »Esst nur Pflanzen« oder »Esst nur Tiere«, »Esst kein Fett«, »Esst keine Kohlenhydrate«, kein Kalorienzählen, sich mäßigen und auch kein Sport.
Einfach nur mal Pause machen vom Essen. 😊