Vor allem, da man am Anfang einfach viel zu wenig wusste. Diejenigen, die noch nie dick gewesen waren, empfahlen hämisch FDH – als ob sie sich daran halten würden. Sie waren eben einfach von ihren Genen her begünstigt. Wenn ich manchmal so sehe, was manche „Spargeltarzane“ essen können … Da wäre ich längst aus allen Nähten geplatzt.
Man ging nicht ganz zu Unrecht davon aus, dass viel essen dick macht. Dem will ich gar nicht widersprechen. Zumindest, wenn es Leute betrifft, die zur Rundlichkeit neigen. Dr. Everke unterscheidet netterweise vier Typen von Menschen, was das Gewicht angeht.
Für die erste Gruppe, die natürlich Dünnen, hat viel oder wenig essen keine Bedeutung. Normalerweise essen sie auch eher viel. Ihr Stoffwechsel rast offenbar ihr ganzes Leben lang und verbrennt, verbrennt, verbrennt. Möglicherweise ist es auch nicht der Stoffwechsel, sondern eher eine Erkrankung, die es ihnen nicht erlaubt, die Energie aus der Nahrung aufzunehmen. Es gibt ja durchaus Menschen, die zum Arzt gehen, weil sie zunehmen wollen und nicht können.
Unvorstellbar für mich, aber das gibt es. Ist man eher übergewichtig oder neigt dazu, beneidet man diese Menschen oft, aber in Wirklichkeit wären sie diejenigen gewesen, die die kalten Winter nicht überstanden hätten. Damals war das ein genetisches Defizit, heute ist es ein genetischer Vorteil.
In dieser Form kranke oder von Natur aus privilegierte Menschen können aber kein Vorbild für das Abnehmen sein, sie sind nur eine Randnotiz, wenn man selbst eben weder diese Krankheit noch dieses naturgegebene Privileg hat. Sie verstehen auch in keiner Weise, dass man Probleme mit dem Gewicht haben kann, jedenfalls nicht mit Übergewicht. Meistens machen sie sich keine Gedanken darüber, wie privilegiert sie sind, sondern urteilen über Übergewichtige, als ob sie etwas davon verständen.
Auch Dr. Everke, der zu dieser Gruppe gehört, hat das getan, wie er selbst zugibt. Bevor er sich mit dem Problem näher beschäftigte, hatte er übergewichtige Patienten mit irgendwelchen schwachsinnigen Ratschlägen zu Diäten entlassen, in der irrigen Annahme, das würde zu einer dauerhaften Gewichtsreduktion führen, wenn sie sich nur daran hielten. Denn – wir erinnern uns – Übergewichtige sind ja selbst schuld. Sie sind undiszipliniert, essen zu viel und bringen nicht die Willenskraft auf, ihr Gewicht auf einem normalen Niveau zu halten.
Dann jedoch stellte Dr. Everke fest, dass seine Patientinnen viel mehr über Diät wussten als er, alles schon ausprobiert hatten und dass es nicht so einfach war, wie es ihm als von Natur aus Schlankem vorkam. Offenbar spielte da noch andere Dinge mit. In Amerika fand man bei einem Experiment heraus, dass Menschen, die von Natur aus rundlich sind, weniger Kalorien verbrauchen als Leute, die von Natur aus eher dünn sind. In dem Experiment wurden Menschen, die sich freiwillig dafür zur Verfügung gestellt hatten, „gemästet“, das heißt, sie bekamen 10.000 (in Worten: zehntausend!) Kalorien am Tag. Einige, die zuvor dünn gewesen waren, nahmen zu – und dann konnten sie immer noch 5.000 Kalorien am Tag essen und das Gewicht halten. Das muss man sich mal vorstellen. Sie nahmen nicht mehr zu, mit immer noch 5.000 Kalorien. Im Gegensatz dazu konnten die zuvor schon Dicken nur 2.500 Kalorien essen. Aßen sie mehr, nahmen sie zu. Ihr Gewicht halten konnten sie nur mit der Hälfte der Kalorien, die die zuvor Dünnen dafür brauchten. Interessant, nicht?
Eine Anekdote, die er erzählt, ist aus unserer Sicht dabei besonders interessant. Eine Patientin, die er nach vielen Jahren wiedertraf, hatte immer mit ihrem Gewicht gekämpft, abgenommen, mehr als das Abgenommene wieder zugenommen … der übliche JoJo-Effekt.
Sie war sehr unzufrieden mit ihrem Gewicht gewesen, und er hatte ihr nicht helfen können. Wie auch? Er verstand ihr Problem ja gar nicht, hielt sie einfach nur für willensschwach.
Nun traf er diese Frau also nach vielen, vielen Jahren wieder – und sie war viel schlanker, als er sie je gesehen hatte.
Er fragte sie erstaunt, was sie denn gemacht hätte, und ihre Antwort war: „Ich habe einfach aufgehört, Diäten zu machen. Ich kümmere mich nicht mehr um mein Gewicht.“
Sie hatte also das Geheimnis von natürlich schlank entdeckt. :) Ein sehr schöner Beweis dafür, wie es wirkt. Sie hatte vielleicht nicht das Idealgewicht, das sie früher mit Diäten immer angestrebt hatte – genaue Angaben dazu macht Dr. Everke nicht –, aber sie war wesentlich dünner als zu der Zeit, in der sie sich mit Diäten schlankzuhungern versuchte.
Die zweite Gruppe, die er nennt, sind genau diese: die schlankgehungerten (oder überkontrollierten) Dünnen.
Das sind Leute, die ihr Leben lang Diät machen, aber da sie nicht zu den genetisch privilegierten Dünnen gehören (und vermutlich ein viel niedrigeres Gewicht erreichen wollen, als es ihnen ihr Körper vorgibt), zählen sie jede Kalorie, verbieten sich alles, was mehr Kalorien hat, als sie sich erlauben, verzichten auf Essensgenüsse, die mit Fett oder Zucker verbunden sind, führen also im Großen und Ganzen ein ziemlich freudloses Leben, das sich nur um ihr Gewicht dreht.
Äußerlich sind sie schlank, und man denkt, sie haben keine Gewichtsprobleme, aber die haben sie – in ihrem Kopf. Es muss furchtbar sein, so zu leben, sich alles zu versagen, was Spaß macht, zumindest essenstechnisch betrachtet. Sich jedes Stückchen Schokolade als „Sünde“ vorzubeten, für das man sich dann noch mehr kasteien muss.
Immer wieder findet man Berichte im Internet, dass sich solche Menschen dann richtiggehend befreit fühlen, wenn sie natürlich schlank entdecken. Ihnen fällt eine große Last von den Schultern. Denn ihr größtes Problem ist nicht ihr Gewicht, sondern ihre Einstellung dazu. Sobald sie diese Einstellung ändern, werden sie zu glücklichen Menschen. Möglicherweise – doch das ist nicht gesagt – mit ein paar Kilo mehr, aber sie gewinnen ungeheuer viel Lebensqualität und Lebensfreude.
Die dritte Gruppe sind die natürlich Rundlichen, die einfach eine etwas rundlichere Figur haben als das heutige magersüchtige Idealmodell. Sie brauchen nicht abzunehmen, denn die paar Kilo, die sie abnehmen, sind das, was in ihren Genen vorgegeben ist. Und sie werden das auch sofort wieder zunehmen. Wenn sie sich mit Diäten quälen, werden sie nicht glücklich werden. Sie sollten sich lieber die äußerst attraktiven, etwas vollschlankeren Schauspielerinnen der 50er und 60er Jahre ansehen. ;) Und ihre eigene Attraktivität entdecken, die nicht bei einem heruntergehungerten BMI liegt. Welche Frau ist attraktiver? Diejenige, bei der die Knochen hervorstechen, oder diejenige, die hier und da etwas gepolstert ist? Die Antwort liegt wohl auf der Hand. Hungerhaken sind kein schönes Vorbild. Aber diese dritte Gruppe sind die „glücklichen Dicken“. (Wobei dick übertrieben ist, nur als Gegensatz zu dünn zu verstehen.)
Die vierte Gruppe sind die – wie Dr. Everke es nennt – „gemästeten Dicken“. Das sind Menschen, die wohl eigentlich der dritten Gruppe angehören, aber statt sich mit einer schönen, etwas rundlicheren Figur anzufreunden, nehmen sie über das, was in ihren Genen vorgegeben ist, hinaus zu.
Diese Gruppe ist die einzige Gruppe, die ohne große Probleme abnehmen kann – und auch (besonders aus gesundheitlichen Gründen) sollte –, wenn sie die eigene Ernährung umstellt.
Zu dieser Gruppe gehöre eindeutig ich. Meine Familie ist rundlich, aber ich habe über diese genetische Rundlichkeit hinaus zugenommen, mich selbst also gemästet. Daraufhin hatte ich dann ein Gewicht, das nichts mehr mit meinen rundlichen Genen zu tun hatte.
Als ich dann mit natürlich schlank begann, fielen diese „gemästeten Kilos“ wie vertrocknete Zwiebelschalen von mir ab, sehr schnell. Ich konnte fast täglich zuschauen, wie ich immer dünner wurde. Und es war ganz leicht. Ich musste mich um nichts kümmern als nur um meinen Hunger und mein Sattgefühl. Alles andere ging ganz von selbst.
Das hörte erst auf, als ich ein Gewicht erreicht hatte, das unter einem BMI von 30 lag. Da beginnt vermutlich schon die genetische Rundlichkeit. Das heißt nicht, dass ich ab da nicht mehr abnahm. Aber es ging langsamer. Sehr viel langsamer. Die Kilos fielen nicht einfach so herunter, als hätten sie nur darauf gewartet.
Zugenommen habe ich aber auch nicht, egal, was ich aß. Ich habe also mit natürlich schlank nun die Verbindung zu meinen Genen wiedergefunden.
Ich bin rundlich. Ich brauche mich nicht auf ein Gewicht herunterzuhungern, das in irgendeiner Tabelle steht. Ich brauche überhaupt nicht zu hungern. Ich esse einfach, was mir schmeckt, aber ich achte darauf, dass ich nur esse, wenn ich Hunger habe, und dann aufhöre, wenn ich satt bin.
Ich nehme langsam, aber stetig weiter ab. Und irgendwann wird mein Körper mir sagen, dass ich nun da angekommen bin, was er in meinem genetischen Code einprogrammiert hat.
Dann werde ich nicht mehr abnehmen, aber auch nicht zunehmen.
Und ich werde weiter natürlich schlank essen und mir alles erlauben, was schmeckt. :)